August Carl Ludwig Kreibom, 18231903 (80 Jahre alt)

Name
August Carl Ludwig /Kreibom/
Familie mit Eltern
Vater
1793
Geburt: 19. Dezember 1793 38 Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
Mutter
Heirat Heirat
er selbst
18231903
Geburt: 24. Mai 1823 29 Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
Tod: 19. September 1903Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
6 Jahre
jüngere Schwester
1828
Geburt: 5. Dezember 1828 34 Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
Familie mit Auguste Schwetje
er selbst
18231903
Geburt: 24. Mai 1823 29 Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
Tod: 19. September 1903Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
Ehefrau
Heirat Heirat
Tochter
18671899
Geburt: 15. September 1867 44 23 Brüggen, Gronau (Leine), Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
Tod: 17. Oktober 1899
2 Jahre
Sohn
18701931
Geburt: 11. Januar 1870 46 26
Tod: 24. Oktober 1931
Geburt
Beruf
Name
Tod
Gemeinsame Notiz

?Der Ortsvorstand Brüggen greift in den Kulturkampf ein.? (Wilhelm Schünemann)

?An das Königlich Preußische Hohe Herrenhaus.

In einer so hochwichtigen Zeit, wo die beiden hohen Häuser des Landtages unserer Monarchie tagen, um dem Lande Gesetz e und Institutionen zu schaffen, die für die Unterthanen nicht nur segensreich sein sollen, sondern wodurch auch der Fr iede im Lande selbst immer mehr und mehr befestigt werden soll, können die Unterthanen ruhig und getrost der ausgezeich neten Leitung der großen Staatsmänner vertrauen, die in geschickter Führung des Staatsschiffes besonders in neuerer Zei t sich glänzend bewährt und das Vaterland zur heutigen Größe und Blüthe gebracht haben. Wir müssen es daher tief beklag en, dass die Regierungsvorlage über das Schulaufsichtsgesetz so vielfach Anfeindungen erfahren; wir sehen vielmehr in d er gedachten Vorlage eine Gewähr unserer Regierung, wie sie bemüht ist, dem Schulwesen in unserem Lande in der That auf zuhelfen, und obgleich
in der diesjährigen Session das lange erwartete Unterrichtsgesetz noch nicht vorgelegt werden wird, so glauben wir zuv ersichtlich, dass die Ausführung desselben nahe bevorsteht.

Der gehorsamst unterzeichnete Ortsvorstand von Brüggen sieht sich, den verschiedenen Petitionen aus unserer Provinz geg enüber, zu der Erklärung veranlaßt, dass er dem Inhalte derselben nicht zustimmen, vielmehr mit dem Gesetzentwurfe, wi e er bereits im hohen Abgeordnetenhause beschlossen, durchaus einverstanden ist; er spricht daher die ehrerbietigste Bi tte aus: Das Hohe Herrenhaus wolle dem obigen Gesetzentwurfe die Zustimmung nicht versagen.

BRÜGGEN, den 28.Februar 1872 - Carl Kreibohm, Ortsvorsteher?
und acht weitere Unterzeichner

Zum Verständnis und zur Würdigung vorstehender Eingabe seien einige Erklärungen angefügt: Im Kriege gegen Österreich un d dessen Verbündete hatte Preußen 1866 drei neue Provinzen erworben, nämlich Hannover, Schleswig-Holstein und Hessen. M an beließ es in diesen vorläufig bei den gänzlich rückständigen Schulverordnungen. Als aber nach der Reichsgründung un d dem glorreich beendeten Kriege 1870/71 Preußen die Führung Deutschlands übernommen hatte, erschien es ein dringende s Gebot der Stunde, das Schulwesen in den so verschiedenartigen Provinzen einheitlich in einer auch für das Reich vorbi ldlichen Weise neu zu ordnen. Für diese Aufgabe wurde der tatkräftige und fortschrittlich eingestellte Dr. Falk als pre ußischer Kultusminister berufen. Er erließ im Jahre 1872 die allgemeinen Bestimmungen, die 50 Jahre für das Unterrichts wesen maßgebend waren, und legte in demselben Jahre der Volksvertretung ein Schulaufsichtsgesetz vor, das die Aufsich t in allen preußischen öffentlichen und privaten Schulen den Kirchen nahm und dem Staate als alleinigem Schulherrn über trug. Um dieses Gesetz entbrannte ein jahrelanger, mit aller Schärfe geführter Kampf zwischen Bismarck und der katholis chen Kirche, der sogen. Kulturkampf. Er wurde 1899 durch einen Vergleich beigelegt. Falk wurde entlassen, aber das vo n ihm geschaffene Schulaufsichtsgesetz blieb bestehen.

Wenn man nun den Gründen nachgeht, die den Ortsvorstand eines unbedeutenden Dörfchens im Leinetal veranlaßt haben mögen , sich durch vorstehende Eingabe zu Gunsten eines freisinnigen Schulaufsichtsgesetzes so entschieden einzusetzen, so mu ß man mit Befremden feststellen, dass alle diese Bauern, die das Schriftstück 1872 unterzeichneten, noch 6 Jahre vorhe r Hannoveraner waren, nach einer so kurzen Übergangszeit sich geschlossen hinter die preußische und damit Bismarcksch e Politik stellen. Waren vielleicht einige der einflußreichen Bauern in Brüggen als eifrige Zeitungsleser trotz der all en Bauern eigenen konservativen Grundhaltung zu der liberalen Politik des im benachbarten Kalenberg beheimateten und mi t Bismarck befreundeten freisinnigen Rudolf von Bennigsen übergegangen, dessen Familie damals auch das Gut Banteln besa ß? Oder hatte die eindrucksvolle Gründung des neuen deutschen Kaiserreiches sie zu Verehrern Bismarcks gemacht? Ich ent sinne mich aus meiner Kindheit, dass es damals noch, besonders unter den Alten, fanatische Welfen gab. Auch meine Große ltern gehörten zu ihnen. Die meisten Jüngeren aber, die die Übergangszeit miterlebten, hatten sich, wie ich aus zahlrei chen Unterhaltungen weiß, bald mit dem Preußentum abgefunden, weil der Regierungswechsel auf allen Gebieten Fortschritt e brachte.

Dies alles muß die Brüggener zu ihrem eigenartigen Vorgehen mit veranlaßt haben, doch die entscheidendste Veranlassun g sind ohne Frage die damals in Brüggen herrschenden katastrophalen Schulverhältnisse gewesen. In einem einzigen Schulz immer wurden etwa 100 Kinder von einem Lehrer unterrichtet, und der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Brüggen al s Küster, Organist und Lehrer amtierende Kantor Zisenis war so leidend, dass er sich vorwiegend seinen kirchlichen Aufg aben widmete. Infolgedessen lernten die Mädchen während seiner Amtszeit überhaupt nicht schreiben und auch die Jungen w urden so wenig gefördert, dass die jungen Bauern, um zur Führung ihres Hofes oder zur Übernahme eines Amtes befähigt z u sein, bei dem Mühlendirektor oder bei einem schreibkundigen Büroangestellten in Gronau die erforderliche Schreib-un d Rechenfertigkeit im Privatunterricht erwerben mußten. Dieses weiß ich u.A. aus den Berichten der Großmutter meiner Fr au, einer geborenen Brüggenerin namens Karoline Kreibohm (1826 - 1916).

Diese beherrschte bis ins Greisenalter einen unübersehbaren religiösen Memorierstoff, konnte fabelhaft kopfrechnen, hat te aber nicht gelernt, ihren Namen zu schreiben. Auch die Gleichgültigkeit oder Eigensinnigkeit des damaligen Ortsgeist lichen , des schrullenhaften Pastors Samuel und die Maßnahmen des Konsistoriums, wonach dem erkrankten Kantor Zisenis f ast bis zu seinem Tode die Nießnutzung seiner Kirchen- und Schulämter belassen wurde , während ein Hilfslehrer seine Ve rtretung übernahm, wodurch der Gemeinde erhöhte Schullasten erwuchsen, hat die allgemeine Unzufriedenheit mit den örtli chen Schulverhältnissen sicherlich noch gefördert.

Mit Stolz und Freude wird es daher die Mitglieder des Ortsvorstandes erfüllt haben, als das Falk'sche Schulaufsichtsges etz am 11. III. 1872, also etwa 6 Wochen nach ihrer Eingabe, in Preußen zur Einführung gelangte, und die Hoffnung der B rüggener , "dem Schulwesen in unserem Lande in der Tat aufzuhelfen" , ist auch nicht enttäuscht worden: Im Jahre 1875 w urde in Brüggen eine zweite Lehrerstelle eingerichtet und wenige Jahre später wurde auf Betreiben des Ortsvorstehers Ca rl Kreibohm durch den Mauermeister Lichtenberg-Gronau ein neues Schulgebäude errichtet.

Wilhelm Schünemann (ehemaliger Schulleiter der Grundschule in Brüggen)
(Verfasst ca. 1935)